1.
Was ist Herpes?
Herpes
ist eine Virusinfektion der Schildkröten, deren Vorkommen sich im Verlauf der
vergangenen
Jahrzehnte häufte. Möglicherweise begründet sich das gehäufte
Vorkommen aber auch nur in der
zunehmenden Beliebtheit der Reptilien als
"Heimtiere" und dem steigenden Interesse der Wissen-
schaft an diesen
Exoten.
2.
Wie sieht das Krankheitsbild aus?
Das
klinische Bild einer Herpeserkrankung bei Landschildkröten variiert mit der
Abwehrlage des
infizierten Tieres. Eine Schildkröte "in den besten
Jahren", ohne Stresseinwirkung, kann gesund
erscheinen, obwohl sie bereits
infiziert ist (so genannter latenter Träger). Dies begründet sich im
besonderen
"Charakter" der Herpesviren. Sie können sich, je nach Zugehörigkeit,
in verschiedene
Körperbezirke zurückziehen, der Organismus scheint gesund.
Schwächt eine Stresssituation nun
den Körper, so breitet sich das Virus im
Organismus aus, und die Schildkröte erkrankt.
Dabei ist aber zu berücksichtigen,
daß Stress nicht nur durch Haltungs- und/ oder Ernährungsfehler
bedingt sein
kann - vielmehr verursachen auch physiologische Vorgänge (z.B. Winterschlaf,
Paarung
und Trächtigkeit) eine Schwächung der Abwehrlage des Organismus.
Daneben beeinflusst natürlich
auch eine andere Erkrankung, beispielsweise
Parasitenbefall, die Immunlage negativ.
Nicht unterschätzt werden darf auf keinem Fall
der Ortswechsel der Schildkröten. Hier habe ich oft
die Erfahrung gemacht, daß ein Tier stark abgenommen hat. In solch einer
Situation kann auch bei
einer infizierten Schildkröte der Herpes ausbrechen.
Die Bilderbuchvorstellung von einer
herpeskranken Landschildkröte
(dicke gelbliche Beläge auf der Zunge)
ist zwar
bezeichnend, doch leider nur eine von vielen Erscheinungsformen der Infektion.
Das Tier frißt
dann natürlich nicht mehr, ist lethargisch und stirbt in Kürze.
Hier handelt es sich um den "Standard-
Krankheitsverlauf", einen
eindeutigen Herpes-Befund. Eventuell ist dieses Bild begleitet von einem für
Laien seltsam anmutenden Verhalten der Schildkröte, welches von
Schluckbeschwerden und/ oder
Veränderungen innerer Organe herrührt. Allerdings
kann sich Herpes - wie bereits erwähnt:
JE NACH ABWEHRLAGE DES TIERES -
verschiedenartig darstellen.
Beispielsweise können latente Träger ohne
vorherige Krankheitszeichen plötzlich verenden
(sehr schneller Krankheitsverlauf).
Auch kann sich ein schleichender Verlauf mit Nasen- und
Augenausfluß einstellen.
Weitere unspezifische Krankheitssymptome sollten einen
Besitzer aufmerksam machen, und die
kränkelnden Schildkröten sind zur
Blutuntersuchung einem spezialisierten Tierarzt vorzustellen.
der typische Belag auf der Zunge bei
Herpes
3.
Welche Arten sind betroffen?
Bisher wurden
Herpesinfektionen bei mehreren Landschildkrötenarten nachgewiesen. Bei diesen
Arten handelt es sich meist um die gehäuft in Terrarienhaltung zu
findenen Spezies, insbesondere
Vertreter der Gattungen Testudo und Geochelone.
Gerade weil zur Zeit auch wieder verstärkt Maurische LS (illegal) aus den
nordafrikanischen Urlaubs-
ländern mitgebracht werden, steigen die
Infektionszahlen. Besonders die nordafrikanischen Unterarten
von Testudo graeca
gelten als eine der Hauptüberträger für die (bei ihnen kaum zu bemerkende)
Krankheit. Diese Tatsache darf allerdings nicht zu dem Trugschluß
verleiten, daß bei anderen Arten
keine Herpesinfektionen vorliegen. Andere
Arten werden seltener in Gefangenschaft gepflegt -
entsprechend werden also
erkrankte oder verendete Tiere weniger häufig beim Tierarzt, in der
Sektionshalle oder im Untersuchungsamt vorgestellt bzw. abgeliefert.
4.
Übertragungsweg und Ansteckungsgefahr:
Herpesviren
werden direkt durch Tierkontakt übertragen. Scheidet ein Virusträger
Virus über seine
Exkremente aus, so sind auch diese infektiös. Auch der
Besitzer übertragt nach Tier- und/ oder
Exkrementkontakt das Virus auf das nächste
Tier. Nach dem derzeitigen Wissensstand muß aus
Sicherheitsgründen davon
ausgegangen werden, daß Herpes von der einen Schildkrötenart auch
auf eine
andere Schildkrötenspezies übertragbar ist.
5.
Schutz vor Ansteckung
Pflegetiere
sollten keinesfalls zum eigenen Bestand zugesetzt werden. Bei Neuzugängen ist
eine
Quarantäne einzuhalten. Die Quarantänedauer richtet sich nach der so
genannten Inkubationszeit
einer Erkrankung - gemeint ist die Dauer vom
Zeitpunkt der Ansteckung bis zum Ausbruch einer
Erkrankung.
Leider lag die
bisher längste vermerkte Inkubationszeit bei vier Jahren. Wer also ganz sicher
gehen
will, der sollte den Altbestand durch eine mehrjährige Quarantäne von
Neuzugängen absichern.
Bei der täglichen Pflege der Terrarien ist immer zuerst
der gesunde Altbestand zu reinigen und zu
füttern, zuletzt die Neuzugänge,
damit nicht durch den Pfleger ein indirekter Kontakt zwischen den
Tieren
hergestellt wird. Wechselt man zwischen den Beständen, so ist eine Händedesinfektion
zwingend erforderlich.
6.
Wie verfahre ich mit meinem derzeitigen Bestand?
Diese
Entscheidung bleibt jedem selbst überlassen. Im Interesse der Wissenschaft, die
sich mit
Herpesviren bei Schildkröten beschäftigt, sollten alle Tiere, juvenil
bis adult , auf das Vorhanden-
sein von Antikörpern untersucht werden. Gehäufte
Untersuchungen tragen dazu bei, das Wissen über
Herpesinfektionen bei Schildkröten
auszubauen und folgenden Generationen zu dienen.
7.
Die Untersuchung auf Herpesviren am lebenden Tier
Die
Untersuchungsmethoden sind beschränkt. Die gängigste Lösung ist eine Blutuntersuchung auf
Antikörper gegen Herpesviren. Die Blutentnahme bereitet in der Regel auch bei kleineren und weniger
kooperativen Tieren keine Schwierigkeiten. Keinesfalls sollte man darüber nachdenken,
zum Zwecke
der Blutentnahme eine Narkose einzuleiten. Ein negatives Untersuchungsergebnis besagt allerdings
nur, daß zum Zeitpunkt der Blutentnahme keine Antikörper im Blut kursierten -
das Tier ist also nicht
unbedingt herpesfrei. Man hat also möglicherweise einen
verborgenen (latenten) Träger vor sich oder
ein frisch infiziertes Tier,
welches noch keine Antikörper gebildet hat. Es wurde mittlerweile festgestellt,
daß Antikörper manchmal erst nach einem Jahr ausgebildet sind, dies erklärt
auch die empfohlene
Quarantänezeit von einem Jahr bei Neuzugängen. Bei
herpeskranken Schildkröten mit dem klassischen
klinischen Bild der besagten
Schleimhautbeläge kann ein Abstrich der Zungenschleimhaut Aufschluß
über das
Vorhandensein von Virus innerhalb der Zellen geben.
Dr.
med. vet. Silvia Blahak, einzige Tierärztin im Bereich der Tierärztekammer
Westfalen mit
der Zusatzbezeichnung „Reptilien und Amphibien“, ist Virologin. Dort
werden auch die Bluttests
auf Herpes untersucht
Sie arbeitet jeweils donnerstags in einer Gemeinschaftspraxis und ist dann
auch u. a. für Landschild-
krötenuntersuchungen da.
8.
Behandlung erkrankter Tiere
Erkrankte
Schildkröten sind sofort aus dem Bestand zu entfernen und isoliert
unterzubringen bzw.
einem fachbezogenen Tierarzt vorzustellen. Da es sich bei
Herpes um eine Viruserkrankung handelt,
stehen der Tiermedizin nur begleitende
Maßnahmen zur Verfügung, d.h. der Organismus kann bei der
"Bekämpfung"
des Virus nur unterstützt werden - Antibiotika sind gegen Viren unwirksam.
Der
Tierarzt behandelt dann symptomatisch, und es werden beispielsweise Präparate
eingesetzt, die
die Abwehrlage erkrankter Individuen stärken und die
Virusvermehrung reduzieren. Eine Antibiose ist
bei herpeserkrankten Tieren nur
dann sinnvoll, wenn sich Begleitinfektionen durch bakterielle Erreger
zur Grunderkrankung hinzugesellen.
Generell muß leider davon ausgegangen werden, daß der Ausbruch der Erkrankung
in den häufigsten
Fällen, nicht notwendigerweise die Infektion,
zum Tod führt.
9.
Übertragbarkeit Mensch - Tier
Der Herpesvirus
des Menschen ist nicht auf die Schildkröten übertragbar, ebenso ist
eine Übertragung
des Virus von der Schildkröte auf den Menschen nicht möglich,
es handelt sich hierbei um völlig
verschiedene Viren, die nichts miteinander zu
tun haben.
Stand
Winter 2012/2013
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